Globales Lernen

Globales Lernen und Umweltbildung

Waldbezogene Umweltbildung setzt sich für „Zukunftsfähigkeit“ ein (BUND, 1995), also für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung. In diesem Sinne erfordert Waldpädagogik eine globale Denkweise, nicht zuletzt weil Wälder weltweite Vegetationsformen sind. Spätestens in der Diskussion um Klimaveränderungen werden die globalen Bezüge der Umweltbildung deutlich. Es kann nicht nur um lokale Phänomene gehen, denn in dieser komplexen, vernetzten Welt hängt vieles davon ab, dass alle Menschen der ganzen Welt ein ganzheitliches Verständnis für Zusammenhänge entwickeln. Systemisches Ökologiebewusstsein ist zukunftsorientiert.

Pointiert formuliert können wir heute davon ausgehen, dass das „Ölzeitalter“ bald beendet sein wird und das „Holzzeitalter“, „das Sonnenzeitalter“ bzw. „das Zeitalter der nachwachsenden Rohstoffe“ beginnt. Neben erhöhter Energieeffizienz sind vermehrt z.B. Holzheizungen, Solaranlagen und Biotreibstoffe wünschenswert. Gesteigerter Holzverbrauch tut nicht nur dem Holzpreis, sondern auch der Umwelt und dem Klima gut. Holz als Energieträger ist kohlendioxidneutral [14] . Die Verbrennung fossiler Brennstoffe, wie Öl und Gas bringen dagegen Kohlendioxid in die Atmosphäre, das vorher im Erdinneren für das Klima unwirksam, gebunden war. Holzheizungen sind aktiver Klimaschutz. Wälder sind nicht nur wichtige Kohlendioxidsenken, sondern wirken vielfältig auf das Klima: Wasserhaushalt, Wolkenbildung, Luftreinigung, Abkühlung usw. Nachhaltige Nutzung der Wälder schadet diesen nicht; denn Zuwachs kann problemlos entnommen werden.


Nachhaltige Forstwirtschaft ist in Tropenwäldern nicht immer gewährleistet [15] . Unkontrollierter Holzeinschlag, großflächige Rodungen, Auswaschungen des Bodens, Straßenbau, Massenproduktion von Holzkohle, sogar Einschlag zur Stahlgewinnung sind massive Schädigungen. Holzexporte nach Europa fördern Abholzung, Raubbau und Betrug mit Zertifikaten. Europäer können nicht nur den Erhalt der Tropenwälder fordern. Lula [16], heute Präsident von Brasilien, formulierte in diesem Zusammenhang einst: „Wenn die Wälder Amazoniens die Lunge der Erde sind, dann ist die Verschuldung die Lungenentzündung“. Dieser Satz bündelt ökologische, ökonomische und soziale Aspekte der globalen Nachhaltigkeit.

 

Kinder wissen heute aus dem Fernsehen oft mehr über tropische als über heimische Wälder; daran kann auch in der Waldpädagogik angeknüpft werden. Im globalen Lernen geht es zentral um Gerechtigkeitsfragen und immer um „das Hier und das Dort“. Gerechtere Strukturen müssen gleichermaßen für die Menschen anderer Länder hergestellt werden. Es ist auch eine Frage der Partnerschaft, Lasten und Nutzen auszugleichen. Kultureller Austausch und die Bereitschaft von anderen Völkern und Kulturen zu lernen, insbesondere auch das gegenseitige Lernen im Umgang mit der Natur. Globales Lernen möchte Menschen ermutigen und befähigen, sich bei der Gestaltung der Weltgesellschaft zu engagieren und sich sachkundig im Geiste weltweiter Solidarität einzubringen. Kinder und Jugendliche erfahren Einstellungen und Werte, wie weltweite Solidarität, Frieden, Toleranz, soziale Gerechtigkeit und Umweltbewusstsein. Welche Fähigkeiten werden dazu benötigt? Wie können wir ihre und unsere eigene Handlungsbereitschaft dazu fördern? Wie können Angst vor Überforderung überwunden und Lähmung durch unüberschaubare Komplexität vermieden werden? Positiv ausgedrückt: Wie können Kompetenzen zur aktiven Gestaltung der jetzigen und zukünftigen Welt vermittelt werden? – sind Fragen, die globales Lernen aufwirft.

 

  Globales Lernen [17] - lernen in einer globalisierten Welt

Die globalen Gefährdungen und die Globalisierung unserer Lebenswelt erfordern in pädagogischer Hinsicht eine Reflexion darüber, wie Lernen gestaltet werden soll, um auf diese veränderten Anforderungen zu reagieren. Dass sich Lernen verändern muss, ergibt sich aus den drängenden Problemen, aber auch an der veränderten Situation des einzelnen Menschen, der sich in dieser Welt zurechtfinden soll.

An der Reflektion beteiligt sind Engagierte aus der entwicklungspolitischen Bildung, der Umweltbildung, der Friedenserziehung, der Menschenrechtserziehung, dem interkulturellen Lernen, dem ökumenischen Lernen und anderen Fachdisziplinen. Sie arbeiten an Leitbildern, Kompetenzen und Methoden für Globales Lernen im Kontext einer Bildung für Nachhaltigkeit. Dabei ist ein relativ offenes Konzept entstanden, das sich durch die Praxis auch immer wieder verändert.

 

Für alle sorgen, die Welt als Ganzes betrachten, so leben, dass alle leben können und damit die Kluft zwischen Armen und Reichen überwinden, sind Wünsche vieler Menschen auf der Erde. Im Blick auf zukünftige Generationen ist die Lebensqualität für alle lebenden Menschen und die weltweite soziale Gerechtigkeit ganz wesentlich. Ebenso muss die gemeinsame Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung, die Sorge um den Frieden und die Überwindung von Gewalt betont werden.


Das alltägliche Leben ist in eine Fülle globaler Zusammenhänge eingebettet. Das bedeutet, dass auch unser Alltagshandeln lokale, wie auch globale Wirkungen hat.

Um zu beschreiben, welche Fähigkeiten angesichts dieser lokal-globalen Wechselwirkungen benötigt werden, um sich an der Gestaltung wichtiger Zukunftsfragen aktiv zu beteiligen, wurde von Gerhard de Haan der zentrale Begriff der Gestaltungskompetenz (siehe Kapitel 4.6) geprägt.

 

Mit den Gestaltungskompetenzen kommen die offene Zukunft, die Variation des Möglichen und ein aktives Modellieren in den Blick. Darin sind ästhetische Elemente ebenso aufgehoben, wie die Frage nach den Formen, die das Wirtschaften, der Konsum und die Mobilität annehmen können. Auch Fragen nach der Art und Weise, wie künftig Freizeit und Alltag verbracht werden, wie das Zusammenleben mit Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen arrangiert und wie sich Kommunalpolitik und die internationalen und weltweiten Beziehungen ausgestalten sollen. Kreativität, Phantasie und Imaginationsvermögen sind wichtige Elemente dieser Kompetenzen. Diese sind mit dem Wechseln der Perspektive verbunden; die Gegenwart wird aus der Perspektive der Zukunft betrachtet.

Die globalen Gefährdungen sind dergestalt, dass es nicht mehr möglich sein wird, nur durch Erfahrung, durch Versuch und Irrtum oder durch Schock zu lernen. Gefragt ist antizipatorisches Lernen, das Fehlversuche verhindert. Im Moment wird wesentlich durch den Rückblick in die Vergangenheit oder die Betrachtung der Gegenwart gelernt. Die Konsequenzen des Handelns reichen jedoch weit in die Zukunft hinein, daher müssen Methoden und Planungsinstrumente, die das Denken in die Zukunft schulen, gesucht werden. Die Arbeit mit Rollenspielen, in denen zukünftig mögliche Entwicklungen durchgespielt werden, Szenarien, Fantasiereisen oder Zukunftswerkstätten sind Möglichkeiten im Unterricht.

 

Eine besondere Herausforderung für die Umsetzung von globalem Lernen sind Hemmnisse, die durch die Art, in linearen Zusammenhängen zu denken und zu planen, verursacht werden. Außerdem werden einzelne Bereiche, etwa bei der Lösung von Umweltproblemen, oftmals getrennt betrachtet. Eine Sichtweise, die durch den traditionellen Fächerkanon gefördert wird. Komplexe Wirkungsgefüge irritieren, und scheinen zu überfordern.


Gesucht sind Methoden und Medien, die es ermöglichen, vernetztes Denken zu trainieren. Der Umgang mit vernetzten Systemen im Vergleich zu linearen Systemen bedarf der Wiederentdeckung verschütteter Fähigkeiten. Vernetztes und in die Zukunft gerichtetes Denken und der Wechsel von Perspektiven führen dazu, dass der Glaube an einfache Lösungen und Schwarz-Weiß-Malereien verabschiedet wird. Es gibt kein eindeutiges Wahr und Falsch mehr, sondern vielleicht nur noch ein kleineres Übel. Es wird nötig, sehr komplexe Zusammenhänge zu erfassen und dabei Ambivalenzen auszuhalten. Es ist wichtig, die Widersprüche im eigenen Handeln auch mit den Betroffenen zu diskutieren und gemeinsam nach Kompromissen zu suchen (Bühler & Datta, 1998).

 

Perspektivenwechsel

Für die Waldpädagogik mit allen Zielgruppen bedeutet das, so häufig wie möglich, nach Handlungsalternativen zu suchen, die sich im Lebensumfeld realisieren lassen. Dabei ist im Entscheidungsprozess wichtig, ob und wem diese helfen sollen. Auch muss darüber reflektiert werden, wie sich jemand fühlt, dem geholfen wird. Ist die Hilfe notwendig, oder wäre nicht eher Partnerschaft, voneinander lernen oder partnerschaftliche Unterstützung angesagt? Dies soll nicht darüber hinweg täuschen, dass Veränderungen vor allen Dingen an politischen und wirtschaftlichen Stellen stattfinden müssen. Warum sollte sich jedoch jemand ohne Not und ohne persönlichen Gewinn für andere einsetzen? Globales Lernen braucht eine ethische Verpflichtung, für mehr Gerechtigkeit einzutreten. Globales Lernen ist einem normativen Leitbild menschlicher Entwicklung und sozialer Gerechtigkeit verpflichtet und ergreift Partei für die Opfer der Globalisierung (Bühler & Datta, 1998).


Wie können Menschen für ihre Entscheidungen einen Orientierungsrahmen im Sinne von universellen ethischen Prinzipien anbieten? Es gibt auf unterschiedlichen Ebenen den Versuch, universale Prinzipien des Zusammenlebens zu formulieren. Eine Grundlage bieten dafür z.B. die allgemeinen Menschenrechte. Hans Küng versucht, in seinem Projekt „Weltethos“ (www.weltethos.org) über den Weg der Religionen einen ethischen Grundkonsens zu entwickeln, der die elementaren Gemeinsamkeiten zwischen Religionen zu einem universellen Extrakt zusammenfasst, um damit den Frieden zwischen den Religionen und damit der Menschheit zu sichern. Das Projekt Weltethos hat intensiv daran gearbeitet, dieses Thema für Jugendliche verständlich zu machen und Unterrichtsmaterialien (reutlingen@ded.de) zu entwickeln.

 

Globales Lernen und Schulentwicklung

Die Beschäftigung mit globalen Themen und die daraus entstehenden Wirkungen sind einerseits gut und wichtig für die Lebensqualität aller Menschen, in armen und reichen Ländern der Welt. Andererseits ist in dieser Auseinandersetzung auch die Auswirkung auf die unmittelbare Umgebung und einen selbst wichtig. Es ist zu hoffen, manchmal zu beobachten, wenn auch schwer zu messen, dass solidarisches Handeln im globalen Maßstab sich auch auf den toleranteren und solidarischeren Umgang der Menschen auswirkt.

An vielen Schulen Baden-Württembergs sind Erfahrungen mit globalem Lernen vorhanden. So gibt es Schülerfirmen, die ökofaire Produkte vermarkten und damit „fair globalisieren“, Energiesparschulen, Schulen mit internationalen Cafés, Schulen mit Projektpartnerschaften oder interkulturellen Partnerschaften mit Schülern im Süden, Schulen, die regelmäßig Projekttage zum Thema Eine-Welt durchführen oder immer wieder Seminarkurse zu Agenda 21-Themen anbieten.

Darüber hinaus muss es auch darum gehen, neue Lernfelder, -orte und –anlässe zu entdecken. So sind Umweltbildungseinrichtungen [18] inzwischen vertraute außerschulische Lernorte, Weltläden sind dies noch nicht überall und die gemeinsame Arbeit muss erst noch entwickelt werden. Im Fairen Handel, für den Weltläden stehen, treffen sich alle drei Dimensionen der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Die meisten fair gehandelten Produkte stammen aus biologischer Produktion und sind „fair“ und „bio“ zertifiziert. Fast alle Produkte stammen aus genossenschaftlich geführten Produktionsstätten, die gemeinsame Sozialwesen und Infrastruktur aufbauen. Lernende können neben Umwelterfahrungen auch ökonomische und soziale Grundlagen erlernen. Sie sammeln Erkenntnisse über andere Menschen und deren Kulturen. Globales Lernen und Umweltbildung sind wertvolle Partner. Sie sind so etwas, wie zwei Seiten einer Münze: richtig gemacht, sind sie untrennbar.

 

 


< [17] Nach einem Manuskript von Sigrid Schell-Straub, epiz und ded, Reutlingen, 2005

[18] ,wie das Haus des Waldes in Stuttgart